Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, wissenschaftliche Leiterin
Beim spätsommerlichen Spaziergang fallen manchen vielleicht die einfachen kleinen Hütten am Rand oder inmitten der Weingärten auf. Weingartenhütten sind in allen österreichischen Weinbaugebieten, vor allem in der Wachau und dem Weinviertel, aber auch im Mittelburgenland und in der Südsteiermark sowie in Nachbarregionen mit Weinbau verbreitet. Doch welche Bedeutung hatten und haben diese eigentlich?
Funktionen
Weingartenhütten wurden früher von zwei Nutzergruppen verwendet – den Weingartenhütern einerseits und den Weinbauernfamilien und ihren Helfer*innen andererseits. Die Weingartenhüter oder „Hiata“ bewachten die reifen Trauben in den Weingärten bis zum jeweiligen Lesebeginn vor menschlichen und tierischen Dieben. Die Aufnahme der jungen Männer mit gutem Leumund erfolgte in der Wachau oft am Jakobitag (25. Juli), im Weinviertel und in Wien am Laurenzitag (10. August).
Die Weingartenhüter nutzten einfache Unterstände als kurzzeitiges Versteck oder für Pausen während der Hutzeit. Die kegel- oder meist zeltförmigen Konstruktionen bestanden aus Flechtwerk oder Stecken, die mit Stroh, Schilf, Maisstroh oder Erdäpfelzaussert abgedeckt wurden. Als Ausstattung gab es lediglich Reben- oder Strohbündel, auf denen man sich hinsetzen konnte. Sie wurden jährlich von den Hütern selbst oder den Weingartenbesitzern neu gebaut und nach der Hutzeit verbrannt.
Dauerhafte, besser ausgestattete Hütten dienten den Weingartenhüter als Unterkunft währen der Hutzeit. Die Einrichtung bestand aus Tisch, Bank oder Sessel, Kerze oder Petroleumlampe, Bettgestell mit Bettzeug oder nur Strohsack, einem Haken zum Aufhängen von Kleidung und einem Handtuch sowie einer einfachen Waschgelegenheit. An den Wänden gab es eine kleine Stellage oder in der Wand eine Nische für Weintrauben und anderes Obst. Der bescheidene Raumschmuck bestand aus populären Öldrucken oder Fotografien an den Wänden, einem kleinen Kruzifix mit Palmkatzerl.
Als Zeichen von „Weingartenverschluss“ bzw. der Hut stellten die Hüter einen Hüterbaum bzw. eine Hutsäule, manchmal mit zusätzlichen Verbotszeichen, auf. Manche gestalteten einen kunstvollen Hüterstern und montierten ihn auf dem Dach ihrer Hütte.


Die zweite wichtige Funktion der Weingartenhütten betrifft die Weinbauern-Familien und ihre Helfer*innen praktisch während des gesamten Arbeitsjahres: Sie nutzten die Hütten als Rastplatz für Essenspausen, als Schutz bei Schlechtwetter und zur Lagerung von kleinen Geräten, wenn man mehrere Tage hintereinander im Weingarten arbeitete. Schließlich befanden sich die Weingärten oft weit entfernt von den Dörfern, und der Arbeitstag im Weingarten dauerte vom frühen Morgen bis Sonnenuntergang, sodass sich der Rückweg für eine Essenspause sowie bei einem durchziehenden Gewitter nicht lohnte. Im lössreichen Weinviertel war eine kleine Vertiefung in der Mitte der Hütte zur Kühlung für Essen und Trinken üblich. Bei größeren Lehmgruben dienten deren Ränder zum Sitzen. Bei den aus Bretterwänden bestehenden Hütten gab es auf beiden Längsseiten Sitzbretter.

Konstruktion der Hütten
Für die Errichtung der einfachen Funktionsbauten wurde alles verwendet, was vor Ort vorhanden und damit günstig war: Bruchstein, Holz, Lehm, Ziegel, Stroh bzw. im Seewinkel Schilf, Gesträuch, Reben, ev. eine Stoffdecke als Türersatz. Die Dächer waren bzw. sind mit Brettern, Dachziegeln, Schindeln, Wellblech oder Teerpappe gedeckt.
Höhlen im Löss
In lössreichen Gegenden wurden direkt in den Hang bzw. die Terrassenwand Höhlen gegraben, die teilweise mit Ziegeln oder Bruchsteinen ergänzt sowie mit Holztüren versehen wurden. Die sehr einfache Ausstattung dieser „Hauerluck’n“ bestand aus einem Holzbrett oder ebenfalls direkt in den Lehm gegrabenen Sitzbänken. Sie dienten auch als Unterschlupf bei Schlechtwetter oder zur kurzen Rast.

Gemauerte oder hölzerne kleine Hütten mit verschiedenen Dachformen
Die meisten Weingartenhütten sind entweder aus Bretter- oder gemauerten Wänden – manchmal auch eine Kombination der beiden Baumaterialien – mit einem Pult-, Sattel- oder Pyramidendach. In den Terrassenanlagen der Wachau wird manchmal die Trockensteinmauer gleich als Rückwand genutzt. In dieser Region stehen auch noch die meisten Weingartenhütten in ihrer Funktion als Unterstand oder Lagerraum.

Bei gemauerten oder höher gelegenen Hütten v.a. im Südbahn-Gebiet war der Eingang bzw. Vorplatz manchmal mit einer Art Laube aus Reisig, Stauden und Ästen von Birke, Eiche oder Föhren getarnt. Hin und wieder gab es sogar lebenden Sichtschutz aus Kukuruz oder Sonnenblumen.

Die Form des Pyramiden- oder Spitzdachs findet sich ausschließlich auf gemauerten Hütten in der Wachau und dort eher selten. Die wenigen noch existierenden Exemplare werden jedoch gut gepflegt und erhalten.

Im 20. Jahrhundert wurden schließlich auch Zisternen aus Beton zum Sammeln des Regenwassers, das zum Anrühren der Spritzbrühe benötigt wurde, im Inneren der Hütten, an eine Außenwand oder in unmittelbarer Umgebung gebaut.

Ebenfalls direkt neben der Hütte war sehr häufig ein Nuss-, seltener ein Obstbaum gepflanzt worden, der gleich mehrere Funktionen erfüllte: Er gab der Hütte und damit den darin Pause machenden Menschen Schatten und somit Kühlung, lieferte Nüsse oder Obst und der Nussbaum vertrieb aufgrund ätherischer Öle in den Blättern und grünen Nuss-Schalen lästige Insekten.


Position im Weingarten
Temporäre Hütten zum Auflauern von potentiellen Traubendieben waren entweder gut versteckt und mit Gebüsch etc. getarnt. Manche wiederum standen erhöht, also eher am Rand des Weingartens, um einen guten Überblick über den Weingarten zu gewähren. Dauerhafte Hütten als Wetterschutz oder Pausenplatz wurden vor allem bei größeren Weingärten bzw. bei Terrassen in der Mitte des Weingartens errichtet, damit man von überall (gleich) schnell hingelangen konnte.

Manche Hütten standen wiederum am Rand des Weingartens, auf der so genannten Ankehr oder Wendestatt, damit sie beim Pflügen mit dem Pferd oder später dem Traktor nicht im Weg waren.

Funktionswandel
Das Ende der Weingartenhütten – vor allem im Weinviertel – kam mit ihrem Funktionsverlust, da keine Weingartenhüter mehr bestellt wurden bzw. diese nicht mehr im Weingarten nächtigten. Andererseits war der Weg zum Dorf bzw. zum eigenen Hof mit Pferdefuhrwerken und später Traktoren schneller bewältigbar. Schließlich waren sie den Traktoren beim Durchfahren der Stockreihen auch im Weg, und bei Schlechtwetter konnte man ohnehin in eben demselben oder in einem Kleinbus Unterschlupf finden.
Allerdings wurden nicht alle Hütten abgerissen, sondern erfuhren einen Funktionswandel als Gartenhütte oder sogar als Raststationen an Wander- oder Radwegen.

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