Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, wiss. Leitung
In den Häusern der Bauern-, Kleinhäusler- und Handwerker-Familien fanden sich zahlreiche meist bestickte Textilien aus weißem Leinenstoff. Diese dienten vordergründig zum Schutz der Wände oder der Wäsche, gleichzeitig aber auch als Schmuck der eher funktionell ausgestatteten Küchen und Stuben. Gemeint sind hier so genannte Wandschoner, auch bekannt als „Spruchdeckerl“, Kastenstreifen und Überhandtücher.

Wandschoner
Wie die Bezeichnung „Wandschoner“ schon vermuten lässt, hingen diese meist längsrechteckigen Stoffstücke an der mit Kalkfarbe gestrichenen Wand, um diese vor Verschmutzung zu schützen. Außerdem „schützen“ sie die Bewohner:innen ein wenig vor der Feuchte und Kälte der Wände in den nur durch den Küchenherd beheizten Räumen. Ende des 19. Jahrhunderts wollte man die Küche nach bürgerlichem Vorbild durch mehr Luft, Sauberkeit und Helligkeit hygienischer machen. Da neue, abwaschbare Möbel nicht leistbar waren, strich man sie weiß und hängte viel bestickte Weißwäsche auf: Wandschoner hingen hinter Esstisch, Anrichtetisch und Wasserbank oder hinter dem Tafelbett (einer Kombination aus Kommode und Bett für die Magd).


Die umgangssprachliche Benennung „Spruchdeckerl“ verweist wiederum auf die Verzierung mit Sprüchen und Motiven, die in Platt-, Stiel- oder Kreuzstich-Technik aufgestickt wurden. Der flächenfüllende Plattstich – auch „Nadelmalerei“ genannt – war bis in die 1850er und 60er Jahre beliebt und wurde dann vom Kreuzstich abgelöst, mit dem allerdings keine größeren Flächen oder kunstvoll geschwungenen Buchstaben mehr möglich waren.

Die Vorlagen der Sprüche, Motive, Zierborten, Bezeichnungen wie Wäschesack, diverse Verzierungen für Polsterüberzüge oder Tischtücher und auch Initialen für Weißwäsche und Taschentücher wurden in Heimarbeit oder in größeren Manufakturen – wie beispielsweise bei Völkl in Wien – gestaltet und in eine Art Pergamentpapier eingestanzt. Die Stickvorlagen-Schablonen lagen in der Greißlerei auf, wo die Frauen das gewünschte Motiv auswählten. Nun wurden die aus kleinen Löchern bestehenden Motivlinien mit blauer Farbe auf den Stoff übertragen und zu Hause in blau oder rot, selten vielfärbig oder nur in schwarz, ausgestickt


Sprüche und Motive
Die gestickte Verzierung hatte reinen Schmuckcharakter, folgte jedoch bestimmten Typen und Ansichten der damaligen Zeit. Häuslicher Wandschmuck hatte früher fast ausschließlich religiösen Inhalt und findet sich in geringem Ausmaß auch auf den Wandschonern wieder.

Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehrten sich Texte und Darstellungen mit moralisierender Thematik, die die Rolle der Frauen auf Küche und Kinder reduzierte, obwohl sie jahrhundertelang ebenso in der Landwirtschaft sowie in den Werkstätten ihrer Handwerker-Ehemänner arbeiteten.



Wandschoner, die hinter der Wasserbank bzw. Abwasch hingen, waren oft mit dem entsprechenden Spruch verziert.

Sehr beliebt waren auch niederländische Motive wie Windmühlen, Holzpantoffel oder ein Kinderpärchen in Tracht (impliziert Sauberkeit und Gediegenheit). Diese Darstellungen waren über die Delfter Kacheln der Barock- und Rokokoküche der Schlösser im 19. Jahrhundert auch in die Bürgerküchen gekommen und für die Stickerei übernommen worden. Schließlich imitiert der blaue Faden der Stickerei auf weißem Stoff die Farbgebung der Kacheln.


In seltenen Fällen und Kriegszeiten beinhalten die Sprüche eine Art Memento Mori, also eine Erinnerung an die Vergänglichkeit der Zeit bzw. des Lebens.


Manchmal finden sich auch Märchenszenen oder Zwerge als Symbol für Fleiß und flinkes Arbeiten.

Überhandtücher
Ein besticktes Überhandtuch diente zur Repräsentation und zum Schutz des darunter hängenden Geschirr- oder Handtuchs und wurde im Gegensatz zu diesem nicht benutzt. Überhandtücher waren im 19. Jahrhundert an der unteren Randkante fast ausschließlich mit geknoteten Fransen oder Spitzenbesätzen verziert, später gab es auch einen glatten Hohlsaum- oder Besatzabschluss.

Kastenstreifen und Wäschebänder
Im Wäscheschrank oder Brautkasten schlichtete die frisch verheiratete Bäuerin oder Kleinhäuslerin die gesamte (Weiß-)Wäsche der Aussteuer ein. Davor wurde jedes Brett mit Stoff oder Papier belegt und an der Vorderkante jedes Brettes gehäkelte oder bestickte Kastenstreifen, genauer gesagt Schrankbrettstreifen, befestigt. Die beliebteste Verzierung waren in Blau oder Rot aufgestickte Drei- oder Vierzeiler, eine Zeile für jedes Brett. Es gab aber auch einfachere Varianten mit Linien und Punkten.

Ähnliche Streifen, jedoch mit Obst-, Blumen- oder niederländischen Motiven oder sogar mit Geschirrarten bestickt, und einfachere, gehäkelte Varianten wurden an den Brettern der Kredenz befestigt.

Ein weiterer Schmuck des Wäscheschranks waren die Wäschebänder, die die unterschiedlichen Wäschesorten in Stößen zusammenhielten. Manchmal wurden farbige Seidenbänder, manchmal flächig bestickte Borten verwendet. Manche Frauen stickten in die Mitte der verzierten Stoffstreifen die Wäschebezeichnung ein.

Wie an den zahlreichen Bildbeispielen zu erkennen ist, verfügt das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz unter anderem über einen umfangreichen Bestand an textilem Hausrat, der jahrzehntelang vom Ehepaar Kiessling ehrenamtlich betreut und derzeit vollständig inventarisiert wird.
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