Restlos verwerten

Wir befinden uns mitten in der Fastenzeit – eine passende Gelegenheit, in 4 wöchentlich erscheinenden Blogbeiträgen die Ernährung in einem Weinviertler Dorf anno dazumal näher zu betrachten.

Mag. Marianne Messerer

Ich habe meine Kindheit und Jugend in der Kriegs- und Nachkriegszeit verbracht, wo der Mangel an Nahrungsmitteln allein schon jede Vergeudung unterbunden hat. Im Unterschied zu heute wurde damals noch wirklich gekocht, denn es gab keine Fertigmenüs zum Aufwärmen und keine Kost aus der Tiefkühltruhe. Was vom Mittagstisch übrig blieb, hat man in der Speisekammer oder im Keller kühl gelagert und frühestens am Abend oder am nächsten Tag wieder verwertet. Sollte wirklich etwas zum Abfall gekommen sein, dann gab es in ländlichen Regionen dankbare Haustiere, für die schmackhafte Reste, Gemüse- oder Obstabfall als Leckerbissen dienten. Ein Onkel hat sich sogar die Mühe gemacht, Eierschalen und Knochen fein zu zerreiben und diese den Hühnern unter das Futter zu mischen.

Weiteres hat man nur das eingekauft, was man in der eigenen Wirtschaft nicht herstellen konnte und was dringend benötigt wurde, wie Zucker, Salz, Germ, Essig und ähnliche Dinge. Trotzdem haben in jedem Dorf ein bis zwei Greißler, ein Bäcker und ein Fleischer das Auskommen gefunden. Wurde in bäuerlichen Haushalten ein Schwein geschlachtet, so gab es ausreichend Arbeit, alle Teile so gut als möglich zu verarbeiten und zu konservieren. Es wurden daher alle Fleischstücke des Schweins zu haltbarem Vorrat verarbeitet. Typisch im Weinviertel war die Zubereitung der Presswurst, wobei gekochte Schwarten, fettere Fleischstücke mit Gewürzen und Fleischsuppe vermischt in den gewendeten Magen des Tieres gefüllt wurden. Die ausgekühlte Suppe bildete eine Sülze und machte die Presswurst schnittfähig. Blutwürste, Leberwürste und Bratwürste waren weitere Genüsse. Der gesamte Vorrat musste für mehrere Monate die Hausleute, die Tagwerker und das Gesinde ernähren. Einsalzen und Selchen der Fleischstücke spielte eine wesentliche Rolle.

Brot wurde in den meisten Haushalten selbst gebacken. Wenn keine Möglichkeit dazu bestand, wurden die aus Teig geformten Laibe und Wecken als so genanntes Störbrot zum Bäcker zum Backen gebracht. Übrig gebliebenes Brot oder Gebäck stellte gar kein Thema dar, denn es wurde sehr sparsam verteilt und als Frühstücks- oder Jausenbrot zur Gänze aufgegessen. Als „Hasenbrot“ bezeichnete man Brotstücke, die man nach der Jause bei der Feldarbeit wieder heimbrachte. Aus altem Brot entstanden Suppeneinlagen, Weißgebäck diente für Knödel, Schmarrn oder ähnliche Rezepte. Trockenes Brot wurde in Suppe aber auch in Kaffee, Milch oder Wein eingetaucht oder zu Bröseln gerieben.

Milch war auf dem Lande durch die Kuh- und Ziegenhaltung vorhanden. Was an Kuhmilch im eigenen Haushalt übrig blieb, konnte täglich früh und abends im Milchhaus abgeliefert werden. Dafür gab es am Monatsende das Milchgeld und gelegentlich eine Butter-, Topfen- oder Käseaktion.

Ich erinnere mich an viele Tage meiner Kindheit, wo am Abend der berühmte „Durchmarsch“ oder besser bekannt als Grenadiermarsch auf den Tisch kam. Fleisch-, Beilagen-, Erdäpfel- oder Gemüsereste wurden mit Zwiebeln gut angebraten, manchmal verfeinerte man mit Ei, Speck oder Grammeln und richtete mit Salat, Essiggemüse oder Gewürzgurken an. Die meisten Hausfrauen zeigten sich sehr kreativ in der Zubereitung dieser Mahlzeiten.

Rezepte zur Resteverarbeitung sehen heute anders aus als früher. Dies hängt von den Zutaten ab, deren Haltbarkeit, den modernen Möglichkeiten der Zubereitung und der Konservierung durch Tiefkühlen. Besondere Sorgfalt ist meines Erachtens bei der zweiten Chance für Lebensmittel auf die richtige Aufbewahrung, eine appetitliche Zubereitung und eine delikate Garnierung zu legen. Damit erübrigt sich das Wegwerfen von Lebensmitteln, was unsere Vorfahrinnen als Sünde bezeichnet hätten.

Aus dem Müllcontainer würde ich persönlich nichts mehr verwenden. Speisen ein drittes Mal aufzuwärmen, erscheint mir – außer bei Gulasch – auch nicht ratsam. Bei Pilzgerichten ist Aufwärmen überhaupt nicht zweckmäßig. Besser ist es, keine zu großen Mengen davon zu kochen, damit nichts übrigbleibt. Man kann Fleisch, Wurst, Teigwaren, allenfalls Gemüse am ehesten wieder verwerten. Den Einkauf planen und die Mahlzeiten auf die Personenanzahl abstimmen ist ratsam. Es ist gescheiter den Gästen zu sagen: „Fein, wir haben alles aufgegessen, freut mich, dass es euch geschmeckt hat“, als ich habe nach einem Besuchstag den Kühlschrank voller Reste. Bei Bestellungen von Aufschnitten, kalten Platten, Buffets u. ä. empfiehlt es sich, die tatsächliche Gästezahl um 1 – 2 Personen zu verringern, denn die so gekauften Mengen werden dennoch reichen.

Man sollte sich gelegentlich die Mühe machen, den Inhalt des Kühlschranks und ebenso der Kühltruhe zu durchforsten. Ältere Reste, die nur mehr einen kurzen Zeitraum haltbar sind, zur Verwendung ins Auge fassen. Man kann ebenso darüber Gedanken anstellen, was denn häufig übrigbleibt, warum das so ist und wie man Abhilfe schaffen kann. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein verpflichtendes Gebot, Man kann Lebensmittel, die noch in Ordnung sind, auch darüber hinaus verwenden. Man sollte sich halt dabei – wie so oft – von einem gesunden Hausverstand und dem Geruchssinn leiten lassen.

Haustiere sind ein Teil meiner Ausführungen. Werden sie von Anfang an gewöhnt, dass – möglichst ungewürzte – Reste einer Mahlzeit an sie verfüttert werden, so ist das auch weiterhin kein Problem. Jeder Hund, jede Katze wird zerstampfte Erdäpfel mit Faschiertem gerne fressen. Es gibt genug weitere Lebensmittel, die sich als Tierfutter eignen. Natürlich darf man dem Hund nicht Schokolade oder andere Süßigkeiten, Kohlgemüse oder Ähnliches füttern. Ich war 12 Jahre lang für einen Labrador verantwortlich, der nach jeder Mahlzeit auf seinen Teil wartete. Zwischendurch zerkaute er zerhackte Schweinshaxen mit Leidenschaft, aber für Fertigfutter, das es nur gelegentlich gab, zeigte er keinen großen Appetit. Der Hund war ein begeisterter „Fresser“, und ich hätte so viele Dosen gar nicht beschaffen können, und von deren Entsorgung will ich gar nicht reden.  

Nicht übermäßig viel einkaufen spart schon einmal Geld, und ich komme gar nicht in die Lage, dass ich Lebensmittel entsorgen muss. Wer Vorräte durch Einkochen oder Einfrieren anlegt, sollte die Waren mit dem Datum beschriften und diese Lagerbestände bei der täglichen Kocharbeit mit einbeziehen. Tiefgekühltes verliert bei zu langer Aufbewahrung an Geschmack, alte Marmeladen und Kompotte verändern die Farbe oder schmecken eintönig. Säfte halten sich am ehesten über längere Zeit. Auch Vorräte sollten mit Maß und Ziel angelegt werden, denn ein kleiner Haushalt benötigt keine übermäßigen Mengen.

Wenngleich die Resteverwertung nicht auf den ersten Blick auffällt, so steckt sie doch in vielen Rezepten drin, man muss nur ein Auge darauf werfen. Es ist meist nur ein Teil der Zutaten, der sich auf Nutzung von Lebensmittelresten bezieht. Natürlich kann man auch jedes Rezept mit frischen Lebensmitteln nachkochen, keine Frage. Restlessen schmecken aber auch wunderbar und können zu unserer Gesundheit beitragen, indem wir unseren Körper nicht dauernd mit schwerer Kost und viel Fleisch belasten.

Conclusio: Ein Tipp wäre, pro Woche eine Restlmahlzeit einzuplanen, egal ob mittags oder abends, und dabei gezielt die Fleisch-, Gemüse-, Obst- oder Teigwarenreste zu einer schmackhaften Mahlzeit zu verkochen. Mit frischem Salat oder Kompott lässt sich das Essen gut ergänzen. Einige Rezeptideen dazu finden Sie hier im Blog ab 18. März. 

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