Die Blumen und Pflanzen meiner Kindheit

Elisabeth Stadler (geb. Mödritsch), Kulturvermittlerin und Ehrenamtliche 

Vor rund 80 Jahren kannte man noch kein Spielzeug aus Plastik. Damals waren die Spielsachen sehr bescheiden, oft aus Holz, wurden von den Eltern selbst hergestellt und von älteren an jüngere Geschwister weitergegeben. Man holte sich das Material aus der Natur: Holzstücke, Steine, Muscheln aus der March, aber auch Blumen und Sträucher spielten im Jahresablauf eine Rolle.

Gleich nach der Schneeschmelze suchte man an Bachrändern nach den ersten Blumen. Man fand die zart gelben Blüten des Huflattichs, die man nicht pflückte, sondern stolz darauf war, wenn man sie als erster entdeckt hat. Zwischen Februar und März erscheinen die Blüten und sind erste Nahrung für Insekten.

Mit fortschreitendem Frühling bedeckten sich die Marchauen mit den weißen Blüten des Schneeglöckchens. Gerne pflückte man ein kleines Sträußchen davon. In der Schule zeichnete und malte man Schneeglöckchen und Palmkätzchen im Zeichenunterricht.

Schneeglöckchen, Elisabeth Stadler (geb. Mödritsch)

Die Zweige der Weide leuchteten bereits mit den silbergrauen Kätzchen von weitem. Die Kinder schnitten Äste davon ab, damit man am Palmsonntag einen schönen Palmbuschen für die Weihe parat hatte. Bis dahin bewahrte man die Zweige kühl und dunkel auf. Man hatte so seine geheimen Plätze, wo Palmkätzchen zu finden waren, diese verriet man keinesfalls an die anderen Kinder.

Palmkätzchen, Elisabeth Stadler (geb. Mödritsch)

Die Buben schnitzten Pfeifen aus Hollerstauden oder Weidenzweigen. Man konnte an allen Ecken die schrillen Töne ihrer Instrumente hören. Die Buben wetteiferten, wer das beste Pfeiferl hatte.

Pfeiferl aus der Sammlung des Museumsdorfs, Foto: Museumsdorf

Um die Osterzeit war Veilchenzeit. Duftende violette Flächen breiten sich unter dem Gehölz aus. Die Mädchen machten sich eifrig ans Pflücken. Man verschenke kleine Sträußchen an „Godeln“ (Patinnen), Nachbarn und Verwandte. Hatte man weiße Veilchen entdeckt, so galt das als etwas Besonderes, stehen sie doch symbolisch für Anstand und Jungfräulichkeit.

Blumenstrauß, Elisabeth Stadler (geb. Mödritsch)

Etwas später radelten die größeren Kinder in den etwas entfernteren Wald und kehrten mit duftenden Maiglöckchen zurück, die sie an der Brünnerstraße gegen ein kleines Entgelt anboten.

Zum Muttertag wurden Mütter mit Vergissmeinnicht Sträußen beschenkt. Diese zarte Blume wuchs üppig an den Ufern des Baches. Der Name geht auf eine Legende des Mittelalters zurück, wo die zarte Blume bei der Erschaffung der Welt den lieben Gott bat, sie nicht zu vergessen. In der Blumensprache ist sie zu einem Symbol für Treue und Erinnerung geworden.

Muttertagskarte, Elisabeth Stadler (geb. Mödritsch)
Vergissmeinnicht-Wiese bei Hofmühle aus Walterskirchen, Foto: Museumsdorf

Reiften um Fronleichnam die ersten Kirschen heran, wurden die Bäume entlang der Straße mit großen weißen Nummern aus Kalkfarbe versehen. Das bedeutete, dass nur der das Recht hatte, die Kirschen zu ernten, der den Baum mit der entsprechenden Nummer „gekauft“ hatte. Dies störte die Buben weiterhin nicht, denn jetzt kam die Zeit des Kirschenstehlens. Die Buben kletterten flink auf die Bäume und die Mädchen standen Schmiere. Sie sollten die Jungen rechtzeitig warnen, bevor der allgegenwärtige Gemeindediener auftauchte. Für diese Dienste warfen die Buben kleine Ästchen mit Früchten hinunter. Man schmückte sich, indem man zwei zusammenhängende Kirschen über das Ohr hängte.

Kirschen, Foto: Museumsdorf

Wenn einem langweilig wurde, so konnte man mit langen Gräsern, die man zwischen die Hände spannte, das Krähen eines Hahnes nachmachen. Mädchen flochten kleine Kränze aus Gänseblümchen und Ketten aus den Stängeln des Löwenzahns. Später, wenn die gelben Blüten sich in leuchtende Samenballen verwandelten, konnte man diese leicht wegpusten und nannte es: „Das Licht ausblasen.“ Aus den geschmeidigen Stängeln des Spitzwegerichs konnte man kleine Körbchen flechten. Die roten Blätter der Mohnblume klatschten hörbar, wenn sie auf die Handfläche gedrückt wurden, daher der Name „Klatschmohn“.

Mohnblumen

Die großen Blätter der Klette („Huatbletschn“) wurden mit Blumen geschmückt und als Hüte getragen. Die große Klette ist bei uns sehr verbreitet und fand vielseitige Anwendung als Heilpflanze und auch in der Küche. Aus den stacheligen Früchten konnte man allerhand basteln. Böse Buben verwendeten sie lieber als Wurfgeschoße –und wehe dem Mädchen, das diese Klette in die Haare oder in den Zopf bekam.

Kam die Zeit der Beeren, gingen die Kinder mit ihren zarten Fingern gerne Ribiseln, Himbeeren oder Erdbeeren pflücken. In Wäldern gab es auch Heidelbeeren. Waren genug Früchte gesammelt, konnte die Mutter köstliche Marmelade daraus herstellen. An feuchten Stellen wuchs der Sauerampfer, dessen Blätter gekaut säuerlich schmeckten. Sie wurden gerne in der Küche wie Spinat verarbeitet oder zu pikanter Sauce. Auch die frischen Blätter der Brennnessel wurden wie Spinat zubereitet.

Es reiften im Jahresablauf im Frühsommer die ersten Äpfel, „Klaräpfel“ genannt, und die Haferbirnen. Beide wurden von Kindern gerne gesammelt, um sie in der heimischen Küche zu verwenden. Der erste Apfelstrudel mit einem richtig ausgezogenen Teig war ein Gaumenschmauß!

Kommt erst der Herbst ins Land, schenkt er uns eine Menge von interessanten Werkstoffen zum Basteln. Aus den glänzend braunen Früchten der Rosskastanie konnte man Ketten oder Fantasie-Figuren, die kleinen Tieren ähnelten, herstellen. Ein Lochbohrer und Zahnstocher waren dazu nötig. Reifte der Kukuruz, wurden aus den zarten Blättern Püppchen geformt. In der Nachkriegszeit hatten diese Blätter auch einen praktischen Zweck. Man flocht Zöpfchen daraus, die dann zusammengenäht als Sohle für Schlapfen dienten, auch Taschen ließen sich daraus herstellen.

Für Basteln mit Kindern bot der Herbst Material in Hülle und Fülle: Blätter, Kastanien, Eicheln, Steine, Maiskolben samt Blättern, Hagebutten, Zapfen, Kürbisköpfe, Zapfen, Nüsse und andere Früchte. Ein „Apfelfräulein“ lässt sich wie folgt herstellen: Auf einem mittelgroßen Apfel wird eine Nuss, die man vorher mit Nase, Mund und Augen bemalt hat, mit einem Zahnstocher fixiert. Arme aus Filzdraht werden um den Hals geschlungen, Wollstreifen dienen als Haare und ein halber Sternanis als Halsschmuck.

Spielzeug „Flo“ aus der Sammlung des Museumsdorfs, Foto: Museumsdorf

Verschiedenfarbige Bohnen, bei uns Fisolen genannt, wurden als Spielsteine für das beliebte Mühlespiel verwendet.

Halbe Nussschalen bemalte man gerne oder zauberte kleine Schiffchen daraus. Eine halbe Nussschale rot bemalt mit schwarzen Punkten darauf stellte einen Marienkäfer dar. Manchmal brachten sie von ihren herbstlichen Streifzügen Schwammerl mit – meist handelte es sich um Wiesenchampignons, die nach eingehender Prüfung in der Küche Verwendung fanden. Eine gute Erdäpfelsuppe mit Pilzen schmeckte allen.

Lange bevor Halloween bei uns Einzug hielt, bettelten die Kinder bei ihren Eltern um einen schönen Kürbis, dem man ein Gesicht schnitzte und in dunklen Nächten mit einer Kerze beleuchtete.

Ende November brachten die Kinder Tannen- oder Fichtenreisig in die Schule mit, wo unter Anleitung der Lehrerin ein Adventkranz für die Klasse geflochten und verziert wurde. Später durften Barbarazweige daheim nicht fehlen. Blühten sie zu Weihnachten, so hofften die älteren Mädchen auf eine baldige Hochzeit.

Wer kennt sie nicht, die Zwetschkenkramperl, gebastelt aus Dörrzwetschken, Feigen und einer Nuss als Kopf. Wenn der Winter mit Kälte und Frost einzog, so konnten die Kinder die letzten Blumen des Jahres, nämlich die Eisblumen an den Fensterscheiben bestaunen.

Tipp:

So, 2. Juni, 10:00 – 17:00 Uhr, Kinderalltag anno dazumal

So, 30. Juni, 10:00 – 17:00 Uhr, Kinder- und Spielefest

Hinterlasse einen Kommentar

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑