Die Hofmühle aus Walterskirchen

Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, wiss. Leiterin Museumsdorf – Projektleitung Hofmühle

Am Samstag, den 20. April, konnte nach umfangreicher Renovierung die Hof- oder Schlossmühle aus Walterskirchen im Museumsdorf wieder geöffnet und dem Publikum präsentiert werden.

Eröffnung von li nach re: GF Christoph Mayer, Präs. NÖ Landtag Karl Wilfing, Wiss. Leiterin Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Obmann Freundesverein Dr. Walter Frank, Abg. z. Nationalrat und Bgm. Angela Baumgartner, Mühlenexperte Johann Wagner, Ehrenamtlicher Mitarbeiter Peter Huber, Foto: Josef Schimmer

Stichworte zum Mühlenwesen

Im heutigen Weinviertel sind Mühlen seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar. Aufgrund der komplizierten Antriebstechnik und der teuren Mühlsteine hatten vor allem adelige Grundherren und Klöster Mühlen gebaut, die gegen Abgaben an Müllermeister verpachtet wurden. Mühlengebäude waren neben Burgen, Schlössern und Pfarrhöfen die größten Profanbauten.

In Verwendung waren hauptsächlich Wasser-, aber auch einige Windmühlen. Bei den Wassermühlen unterscheidet man zwischen Bach- und Teichmühlen. Das Antriebswasser der Bachmühle wird vom Hauptgerinne künstlich abgeleitet und mittels Schleuse geregelt. Bei der Teichmühle wird das Wasser im Mühlenteich gesammelt, dessen Schuber nur für die Dauer des Mahlens geöffnet wird.

Laut einem Mühlenverzeichnis von 1661 gab es im Viertel unter dem Manhartsberg, dem heutigen Weinviertel, bereits 277 Mühlen. Damit kam eine Mühle auf durchschnittlich 30 Häuser bzw. 180 Bewohner:innen. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ersetzte mancherorts Dampfkraft die Wasserkraft, später folgte die Elektrifizierung. Ab den 1950er/60er Jahren stellten die meisten Mühlen den Betrieb ein.

Geschichte der Hofmühle Walterskirchen

Die Herrschaft Walterskirchen war über die Jahrhunderte an unterschiedliche Adelsfamilien vergeben. 1683 wurde das heutige Schloss errichtet. 50 Jahre später erwarben die Grafen Koháry das Gut, das durch Heirat an die Familie Sachsen-Coburg-Gotha überging. Bis heute führen deren Nachfahren den Gutsbetrieb.

Die Hof- oder Schlossmühle Walterskirchen ist seit dem frühen 17. Jahrhundert urkundlich belegt. Für Walterskirchen sind noch zwei weitere Mühlen derselben Herrschaft verzeichnet: die Kräuter- bzw. zuletzt Schützmühle und die kleinere Teichmühle.

Das Wasser für den Antrieb der Schlossmühle wurde vom Poybach abgezweigt, der insgesamt 11 Mühlen antrieb.

Nach der Regulierung des Poybaches 1951 und der Auflassung des Mühlgrabens erfolgte der Betrieb motorisch. Die Hofmühle war bis zur Mitte der 1950er Jahre in Betrieb, das genaue Schließungsdatum konnte nicht eruiert werden. Danach waren in der ehemaligen Müllerwohnung zwei Wohneinheiten untergebracht. 1985/86 erfolgte der Nachbau des gesamten Gebäudes im Museumsdorf.

Hofmühle mit färbig gestrichener Schauseite (in Walterskirchen dem Schloss gegenüber), Foto: Josef Schimmer

Ablauf des Mahlvorgangs

Das vom Bauern oder seinem Knecht gebrachte Getreide wurde gewogen und der Mahllohn – meist ein Teil des Getreides oder als Geldwert – berechnet und im Mahlbuch aufgeschrieben.

Das Getreide wurde nun in die Gosse, einen Holztrichter geschüttet und

mit dem so genannten Becher-Elevator in das oberste Stockwerk, den Spitzboden, transportiert.

Gosse zum Einfüllen des Getreides und Elevatoren, Foto: Josef Schimmer

Vor dem Mahlen war die Reinigung des Getreides wichtig, denn nur gut gereinigtes Getreide bringt sauberes und reines Mehl. Der erste Schritt war die Grobreinigung des Getreides von kleinen Steinen, Eisenteilen, Sackschnüren, Mäusekot etc. Dies erfolgte früher händisch durch Siebe mit Metallgittern oder in Sechs- oder Achtkant-Zylindern, die mit feinem Draht-, Jute- oder Seidengewebe bespannt sind. Im Trieur – der Unkrautauslesemaschine – wurden die Fremdsamen wie z.B. Wicken oder Raden durch langsames Drehen aus dem Mahlgetreide entfernt.

In der Schälmaschine, ca. 1880 entwickelt, wurde die äußerste Schale abgeschlagen und damit die dem Getreide anhafteten Schimmelpilze entfernt. So trug der Müller zur Gesundheit der Bevölkerung im 19. Jahrhundert bei.

Schälmaschine, Foto: Josef Schimmer

Das Mahlen

Das Grundprinzip jeder Mühle besteht aus Zerkleinern und Aussieben bzw. Sortieren, weiter Zerkleinern und Aussieben usw. Nach rund 10-14 Durchgängen hat der Müller aus dem Getreide verschiedene Mehle, Gries und Schrot produziert. Gemahlen wurde in Steingängen oder in Walzenstühlen im Walzenboden, dem untersten Stockwerk. Im Steingang wird das Getreide zwischen 2 Mühlsteinen – dem fixen Bodenstein und dem beweglichen Läufer – zerkleinert. Walzenstühle wurden ab 1850 von der Firma Ganz & Co / Budapest entwickelt und vertrieben. Sie zerkleinern das Getreide zwischen zwei geriffelten, gegenläufigen Metallwalzen.

Steingang (links im Bild) und Walzenstuhl (rechts), Foto: Josef Schimmer

In der Absackung wurden die Mahlprodukte – sei es für menschlichen Verzehr (Mehl und Gries), seien es Futtermittel (Schrot, Kleie und Futtermehl) – in Säcke gefüllt und über die Stiegen oder eine Sackrutsche nach unten befördert.

Abfüllung des Mehls in Säcke, Foto: Josef Schimmer

Leben in der Mühle – die Müllerwohnung

Die Wohnung der Müllerfamilie und ihrer Mitarbeiter war vom Walzenboden aus durch die Mühlentür begehbar. Die Tür ist mit Blech beschlagen, um bei einem Brand, der durch eine Mehlstaubexplosion ausgelöst werden könnte, geschützt zu sein. Die Tür führt in die Burschenkammer, wo Lehrlinge und Gesellen schliefen und ihre bescheidenen Habseligkeiten aufbewahrten. Müller waren dank des Mahllohns wohlhabender als der Großteil der bäuerlichen Bevölkerung. Der Wohlstand der Müller zeigte sich an der Ausschmückung der Mühlen und der Einrichtung der Müllerwohnung.

Stube mit bürgerlicher Einrichtung, Foto: Josef Schimmer

Von der Küche gelangt man in die repräsentative Stube und danach in das Schlafzimmer. Die Wände der beiden Zimmer sind mit Walzenmustern (als Nachfolge der Verzierung mit Schablonen aus Karton oder Blech) und färbig gestaltet, wie es ab den 1880er Jahren üblich war. Der letzte Raum ist die „Mentschakammer“, ein eigenes Zimmer für die Töchter der Müllerfamilie.

Schlafzimmer, Foto: Josef Schimmer

Die Müllersfrau führte meist das Mahlbuch und war für die tägliche Abrechnung des Mahllohns bzw. das Abkassieren am Ende des Jahres zuständig. Bei Bedarf arbeiteten sie ebenso in der Mühle mit. Schließlich mussten alle Mitglieder des Haushalts, also Familie, Lehrlinge und Gesellen mit Nahrung, Kleidung und im Bedarfsfall mit selbst hergestellten Mitteln aus der Hausapotheke versorgt werden.

Arbeiten und Projektteam

Die umfangreichen Sanierungsarbeiten an dem Gebäude von Keller bis zum Dach inkl. Mühlrad und Wasserlauf wurden durch externe Firmen unter der baulichen Projektleitung unseres Bauleiters Karl Waglechner durchgeführt.

Die Innenausstattung von Mahltrakt und Müllerwohnung war ein Gemeinschaftsprojekt des Museumsdorf-Teams mit tatkräftiger Unterstützung einiger Ehrenamtlicher. So renovierten der langjährige ehrenamtliche Mitarbeiter Peter Huber und Jochen Huschka vom Museumsdorf nicht nur den Steingang, sondern auch die weitere Einrichtung des Mahltrakts. Dabei berieten sie die Mühlenfachleute Johann Wagner und Karl Hager.

Ebenso renovierten die beiden die Möbel, mit denen die Müllerwohnung ausgestattet wurde. Die Wandgestaltung mit den wunderschönen Walzenmustern und den Herd verdanken wir dem „Museumsdorf-Maurer“ Michael Kopal. Die weitere Einrichtung inklusive der Textilien wurde von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Edeltraud Hruschka und Annina Forster, unterstützt von Sabrina Lang und Barbara Eisenhardt bereitgestellt. Dabei hat die ehrenamtliche Mitarbeiterin Monika Schwanzer tatkräftig mitgeholfen. Franziska Bogenstorfer war eine große Hilfe bei der Erstellung der Liste der Mühlenpächter auf Basis der in Kurrent verfassten Pfarrmatriken von Walterskirchen.

Die Medienstationen, die u.a. Interview-Sequenzen mit Martha Fally – der ersten Müllermeisterin von Niederösterreich –, gefilmt 2013 von Walter Lauer, zeigt, wurde mit Unterstützung des Freundesvereins umgesetzt.

Ihnen allen sei herzlichst für ihr Engagement gedankt!

Karl Wilfing, Veronika Plöckinger-Walenta, Monika Schwanzer, Peter Huber, Annina Forster und Michael Kopal (von links nach rechts) vor dem neu gesetzten Herd in der Küche der Müllerwohnung, Foto: Josef Schimmer

Alltag im Dorf – Wie war das damals in der Mühle?

An folgenden Terminen können Sie noch mehr über die Hofmühle aus Walterskirchen und das Leben der Müllerfamilie erfahren und Mahltrakt sowie Müllerwohnung besichtigen:

Donnerstag, 9. Mai

Samstag, 29. Juni

Samstag, 13. Juli

Samstag, 24. August

Sonntag, 29. September

Sonntag, 20. Oktober

Jeweils 13-17 Uhr

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