Hausformen im Weinviertel

Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, wiss. Leitung

Doppelhakenhof mit nachträglich angebauter Ausnahm aus Wultendorf, Foto: Dietmar Bodensteiner

Im letzten Blogbeitrag wurden die im Weinviertel verbreiteten Dorfformen vorgestellt. Die das Dorf bildenden Gehöfte lassen sich ebenfalls in unterschiedliche Typen unterteilen bzw. haben sich aus der „Urform“ entwickelt. Im Weinviertel finden sich:

  • der Streckhof
  • der Zwerchhof
  • das Gassenfronthaus und
  • der Doppelhakenhof.

Sie alle weisen einen dreiteiligen Grundriss auf:

  • der Wohnteil mit Stube und Schlafräumen richtet sich nach der Dorfstraße;
  • der Mittelteil beinhaltet Küche und Speis;
  • der Wirtschaftsteil umfasst Ställe und Kammern.

Streckhof („Anbauhof“, Giebelhaus, „Schusshäusel“)

Der Streckhof ist die ursprünglichste Hausform im Weinviertel. Die Giebelseite des Hauses ist auf die Dorfstraße ausgerichtet. Die Räume sind nacheinander unter einem Dach aufgereiht und ausschließlich hofseitig begehbar.

Streckhof aus Bad Pirawarth – Giebelseitig zur Dorfzeile hin orientiert, Foto: Roman Jandl
Streckhof aus Bad Pirawarth – Blickrichtung vom Hof mit den Eingängen in die einzelnen Räume Richtung Dorfzeile, Foto: Nadja Meister

Zwerchhof

Diese Hausform entstand durch die Erweiterung des Streckhofs um einen gassenseitigen Quertrakt (mundartlich „zweri“ bzw. “zwerch“ für „quer“), der die Stube sowie ein oder zwei zusätzliche Räume umfasst. Der Längstrakt beherbergt Küche, Speis sowie Ställe und andere Wirtschaftsräume. Er erstreckt sich in den Hof hinein und ist häufig mit einem Arkadengang („Trettn“) versehen. Damit entsteht der typische L-förmige Grundriss.

Zwerchhof aus Drösing mit Blickrichtung vom Innenhof zum Quertrakt bzw. zur Straße hin, Foto: Nadja Meister

In der lokalen Bevölkerung wird für diesen Typus der Begriff „Hakenhof“ verwendet, was in der Fachliteratur aber eine andere Hausform (Wohnräume und Stallungen wie beim Streckhof im Längstrakt, hinten angebauter Querschupfen) bezeichnet. Der Hakenhof ist aber v.a. im östlichen Weinviertel kaum anzutreffen.

Gassenfronthaus

Dieses ist eine Weiterentwicklung des Zwerchhofs: Hier wird der Wohntrakt durch das durchgängige Vorhaus mit Gassentüre in zwei Teile geteilt, wobei Stube und Küche von den weiteren Wohnräumen durch das Vorhaus getrennt werden. Dieser Typus ist mittlerweile der häufigste im östlichen Weinviertel, im westlichen sind beide Formen anzutreffen.

Umgedrehter Zwerchhof („Weinviertler Hakenhof“)

Der von seinem Entdecker Dr. Richard Edl „Weinviertler Hakenhof“ benannte Typus war in der Fachliteratur nicht bekannt und wurde erstmals durch die Übertragung zweier Beispiele ins Museumsdorf bewusst wahrgenommen, obwohl er bis nach Südmähren und Ungarn verbreitet ist. Bei dieser spiegelbildlichen Entsprechung des Zwerchhofs befindet sich der Wohnteil im rückwärts angesetzten Quertrakt. Im vorgelagerten, giebelseitig zur Dorfstraße hin ausgerichteten Längstrakt befinden sich die Stallungen. Eingang, Hauptzufahrt und Fensterfront des Wohntrakts sind aber wie beim Zwerchhof auf die Dorfzeile orientiert.

Der Grund für die Entstehung dieser Hausform liegt wohl im sumpfigen, feuchten Gelände in den Niederungen an einem Bach. Der rückverlagerte Wohntrakt und die deutliche Abrückung des Gehöfts vom Bach weg an den ansteigenden Hang boten größeren Schutz vor Feuchtigkeit und Überschwemmung.

Umgedrehter Zwerchhof aus Hörersdorf im Museumsdorf, Foto: Dietmar Bodensteiner
Umgedrehter Zwerchhof in Kettlasbrunn, Foto: Museumsdorf

Doppelhakenhof

Der Zwerchhof wird um einen hinteren, angebauten Quertrakt erweitert, der sich aus dem freistehenden Querschuppen entwickelt hat. Damit entsteht der „Doppelhaken“, aus dem L-förmigen Grundriss ist ein U-förmiger geworden. Die Raumverteilung bleibt aber wie beschrieben: Stuben Richtung Straße, anschließend Küche und Speis, im Längstrakt Stallungen.

Doppelhakenhof aus Wildendürnbach im Museumsdorf: Blickrichtung Quertrakt mit Stuben bzw. Straße, Foto: Museumsdorf
Doppelhakenhof aus Wildendürnbach im Museumsdorf: Blickrichtung angebauter Querschupfen, Foto: Museumsdorf

Häusler-Haus

Die Kleinhäusler-Häuser sind in größerer Zahl im 18. und vor allem 19. Jhdt. infolge des Bevölkerungswachstums entstanden. Die Hofstelle ist um vieles kleiner als die der Bauerngehöfte und besteht aus dem „Häusel“ (Wohn- und kleine Stallräume) und einem kleinen Hofraum. Die Anordnung des Gebäudes wird bestimmt durch die örtlichen Gegebenheiten des Bauplatzes und der Umgebung. Gebaut wurde überall im Ortsverband, je nachdem, wo ein bescheidenes Grundstück zu Verfügung stand.

Kleinhäusler-Haus aus Wetzelsdorf am Beginn der Kellergasse – wie am Originalstandort auch im Museumsdorf, Foto: Dietmar Bodensteiner

Ausgedinge (Ausnahm)

Keinem eigenen Haustyp zuzuordnen, der Vollständigkeit halber erwähnt sei aber trotzdem das so genannte Ausgedinge. Darunter versteht man die Räumlichkeiten, in denen das Altbauern-Paar nach der Hofübergabe an die nächste Generation wohnt. Dies kann eine einzelne Stube oder ein eigener Wohntrakt in einem größeren Bauernhaus, also unter demselben Dach mit den Erben sein. Oder es wurde ein eigenes Häuschen gebaut, das meist nur aus Stube und Küche, manchmal noch einer kleinen Kammer besteht. Der Gemüse- und Kräutergarten ist oft größer als das kleine Haus, weil er zur Selbstversorgung dient.

Ausnahm aus Niedersulz mit Gemüsegarten im Museumsdorf, Foto: Nadja Meister

Längsstadel

Das Weinviertel ist – wie das Nordburgenland – das Verbreitungsgebiet des Längsstadels.

Die Längsstadel imponieren besonders durch die riesigen, weit herabgezogenen Dachflächen („Abseiten“) und den eindrucksvollen Hallenraum im Inneren, der durch eine aufwändige Holzständerkonstruktion entsteht. Der „Abseitenstadel“ wurde bis in die zweite Hälfte des 19. Jhdts. gebaut, dann wurde er von oft gemauerten Längs- und Querstadeln ohne herabgezogene Dachflächen abgelöst.

Längsstadel aus Großinzersdorf, Foto: Museumsdorf

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