Mag. Marianne Messerer
Die Ernährung in einem bäuerlichen Haushalt war früher von mehreren Faktoren abhängig: die Anzahl der zum Hof gehrenden Personen, die täglich verköstigt werden mussten, war ebenso ausschlaggebend wie die Eigenversorgung durch den Anbau von Getreide, Gemüse und Obst, das haltbar gemacht oder in Kellern kühl gelagert werden musste. Um die Versorgung sicher zu stellen, war der „Lebende Vorrat“ in Form von Schlachttieren ein besonders wichtiger Punkt. Und nicht zuletzt hing die „gute“ oder die „schlechte“ Kost von den Kochkenntnissen der Hausfrau ab.
Kochen lernen
Um bereits in jungen Jahren auf die Hausarbeit vorbereitet zu werden, gab es mehrere Möglichkeiten für die heranwachsenden Mädchen.
- Hauptsächlich eigneten sie sich die Haus- und Küchenarbeit am heimischen Herd bei Mutter oder Großmutter an.
- Töchter „aus gutem Hause“ hatten die Chance, eine Haushaltsschule zu besuchen. Der Hauptschule Mistelbach war nach dem 1. Weltkrieg eine einjährige Haushaltsschule angeschlossen.
- Mancherorts bestand die Möglichkeit, an den Wintertagen in einer Kochschule anzulernen. Später gab es die Landwirtschaftliche Fortbildungsschule mit dem Fach „Kochen“ für Mädchen.
- Pfarrersköchinnen waren für ihre Kochkunst sehr bekannt und nahmen ab und zu ein Mädchen aus dem Dorf oder aus der Verwandtschaft unter ihre Fittiche.
- Weinbauern hatten ein gutes Verhältnis zu ihren Wirten, und so war es nicht selten, dass die Tochter eines Bauern im Winterhalbjahr in einer (Wiener) Gastwirtschaft mitarbeitete.
In diesen Jahren schrieben die meisten Mädchen ihr erstes Kochbuch in Kurrent. Die häufigsten Rezepte bestanden nur aus einer Zutatenliste, weil für die Frauen früher klar war, wie man Nudeln herstellt und kocht, einen Schmarrn röstet oder den Germteig weiterverarbeitet. Bemerkenswert in einem solchen Kochbuch war die Tatsache, dass nach jedem Kapitel gleich Ratschläge zur Resteverwertung angeführt wurden.
Waren diese „Lehr- und Wanderjahre“ vorüber, hieß es meist, nach der Heirat einen eigenen Mehrpersonenhaushalt zu führen. Dann durften einer Hausfrau nur wenige Fehler unterlaufen, denn die Ressourcen waren immer knapp und Lebensmittel ein in schwerer Arbeit erworbenes Gut.
Wer aß wann und wo?
Das tägliche Kochen war von der Anzahl der im Haushalt zu versorgenden Personen abhängig. Eine Großfamilie bestand damals aus den Eltern, deren ledigen Geschwistern, den Kindern, den Großeltern, zum Hause gehörenden Ziehkindern oder Inwohnern sowie dem im Hause wohnenden Gesinde und den Tagwerkern, deren Teil des Lohnes die Verpflegung war. Da waren bald 10 und mehr Hungrige um den Tisch versammelt. Es herrschten strikte Termine für die Mahlzeiten: Da der Tag schon früh begann, war Mittagessen stets zwischen 11:00 und ½ 12 Uhr, sogar die Schule nahm darauf Rücksicht. Schulkinder wurden um 11 Uhr entlassen, gingen zum Essen nachhause und trafen um 13 Uhr wieder zum Nachmittagsunterricht ein. Arbeiteten Tagwerker:innen auf weiter vom Dorf entfernten Feldern oder Weingärten, so haben sie ihre Kraft und Zeit nicht mit langen Fußmärschen zum Mittagstisch verschwendet, sondern es wurde ihnen das warme Essen auf das Feld nachgebracht. War ein Großteil der Familie selbst im Weingarten oder am Feld beschäftigt, nahm man eine kalte Jause dorthin mit. Im Weinviertel haben früher zahlreiche slowakische Dienstbot:innen ihre Arbeit verrichtet. Diese hat man meist von Weihnachten bis zum Fasching nachhause geschickt, um sich die Verpflegungskosten in Winter zu ersparen.
Daheim herrschte eine strenge Sitzordnung bei Tisch. Der beste Sitz und das beste Stück vom Braten gebührten dem Hausherrn, dann folgten alle anderen, je nach Alter, der Zugehörigkeit zum Haus oder ihrer Tätigkeit. Das Tischgebet war selbstverständlich. Wer nicht pünktlich kam, musste mit dem zufrieden sein, was übriggeblieben war.
Die Haltung von Schlachttieren (Schweine, Ziegen, Geflügel, Hasen) war wesentlicher Teil der Selbstversorgung. Wurde ein Rind vom Fleischhauer geschlachtet, so konnte man einen Teil des Fleisches zur Eigenverwertung zurückbekommen, und es gab zur Abwechslung im Speiseplan Rindfleischgerichte wie z.B. Gulasch.
Das Schlachten kam im Abstand von mehreren Monaten auf den Plan und hing mit der Verfügbarkeit eines Schweines und der zu erwartenden schweren Arbeit, wie Holzarbeiten im Winter, Fastenhauen im Frühjahr, Ernte und Drusch im Sommer („jemand isst wie ein Drescher“) und der Weinlese im Herbst zusammen, denn bei diesen Tätigkeiten erwarteten (und benötigten) die Helfer eine deftige Kost. Sonst wurde eventuell noch vor dem Kirtag und natürlich vor einer Hochzeit geschlachtet.
Ernährung im Jahreslauf
So, wie die Natur den Jahresrhythmus im Bauernleben bestimmte, folgte man in der Küche diesem Einklang. Die Wintermonate waren für die Versorgung die härtesten. In der Fastenzeit – früher auch im Advent – war Enthaltsamkeit geboten. Das Kochen fiel mit den wenigen noch vorhandenen Vorräten ohnehin nicht sehr reichhaltig aus. Ostern brachte dann wieder etwas üppigere Kost auf den Teller wie Geselchtes, Kitz-Fleisch, Eier und Gebäck. Man griff bald nach dem zeitigen Salat, dem frischen Spinat, nach Kräutern für Suppe und Saucen aus dem eigenen Garten.
Sommer und Herbst waren für die Küche und die Haltbarmachung die wichtigsten Jahreszeiten. Ausgerechnet da hatte die Hausfrau aber die wenigste Zeit, um in der Küche zu stehen und alles einzukochen, da die Feldarbeit vordringlicher war. So bewältigte sie die Einkocharbeit oft erst in den Abend- und Nachtstunden. Diese Mühe machte sich erst im Winter bezahlt, denn wer auf Marmeladen, Dörrobst und Essiggemüse zurückgreifen konnte, hatte es wesentlich leichter mit der täglichen Versorgung.
Brotbacken erfolgte in einem Rhythmus von 2–4 Wochen. Dabei ging es um eine Teigmenge aus 20–30 kg Roggenmehl, Wasser, Salz, Gewürzen und dem getrockneten Sauerteig (Ura) von der letzten Brotherstellung. Laibe zu 4 kg wurden im hofeigenen Backofen oder beim Bäcker (Störbrot) gebacken. Demzufolge musste der Bauer mehrmals im Jahr zur Mühle fahren, um den eigenen Roggen und Weizen zu Mehl und Grieß mahlen zu lassen. Dabei fiel auch Tierfutter wie Kleie oder Schrot an.
Bäckereien, Weißbrot, Strudel, Gugelhupf, Kuchen, Lebkuchen und Früchtebrot wurden zu bestimmten Anlässen (Kirtag, Weihnachten) hergestellt. Man freute sich auf diese Abwechslung und scheute keine Mühe, um auch kompliziertere Rezepte wie Schmerstrudel oder Grammelkrapferl zu backen.
Nudeln wurden ebenfalls selbst hergestellt. Man knetete aus einem ½ kg Mehl, 2–3 Eiern und etwas Wasser einen festen Teig, den man auf dem Nudelbrett dünn auswalkte und zu Nudeln oder Fleckerln schnitt. Getrocknet reichte diese Menge für mehrere Mahlzeiten. Nudeln konnten sehr gut als Vorrat gelagert werden.
Speisen
Gewisse Grundzüge der Speisefolge sind für den Alltag als auch für Festzeiten feststellbar. Das alte Kinderlied „Was ist heut‘ für ein Tag?“ enthält solche Vorgaben: „Montag ist Knödeltag, Dienstag ist Nudeltag, Mittwoch ist Strudeltag, Donnerstag ist Fleischtag, Freitag ist Fasttag, Samstag ist Zahltag und Sonntag ist Lumpentag“.
Im bäuerlichen Alltag gab es fast keine Mittagsmahlzeit ohne Suppe. Daher finden wir in den Kochbüchern eine Vielzahl von Suppen. Nach dem Schlachten standen Fleisch- und Wurstsuppe („Blunzensuppe“, nach dem Abkochen der Blutwürste) im Vordergrund. Fleischsuppen gelierten und hielten sich lange frisch. Sie waren auch das Geliermittel bei der Herstellung von Presswurst. Sehr verbreitet waren Suppen auf Gemüsebasis wie Linsen, Bohnen, Kartoffeln, Kraut, Erbsen, Zwiebel, Lauch, Zeller, Karfiol oder mit Kräutern. Wurde Geflügel geschlachtet, dann fielen Hühner- oder Gänsesuppen an. Hühner- und Taubensuppe war eine wichtige Krankenkost. Einfachere Suppen bestanden aus einer Einbrenn- oder Milchrahmsoße. Gulaschsuppe galt bereits als Hauptmahlzeit.
Genauso vielfältig waren Suppeneinlagen, von denen manche heute in Vergessenheit geraten sind. Alltagstaugliche Einlagen waren Nudeln, Bröselknödel, Eingetropftes, Gerstel, Speckknödel, Mehlnockerl, Leberknödel, Semmel- oder Brotschnitten. Festtäglich waren Suppeneinlagen wie Schöberl, Fridatten, Grießnockerl, Lungen- oder Fleischstrudel sowie Markknödel.
Die Hauptmahlzeiten an Wochentagen enthielten alle möglichen Gemüsegerichte. Gemüse – eingebrannt oder gestaubt – wurde früher als Zuspeise bezeichnet. Knödel, Nudeln, Kartoffel dienten als Beilage. Gefüllte Knödel oder Gemüselaibchen waren eine Hauptspeise. Fleischportionen waren relativ klein bemessen und bestanden wochentags aus gekochtem Fleisch – frisch, eingesalzen oder geselcht. Frisches Fleisch hat man gerne als „Grünes Fleisch“, frische Bratwürste als „Grüne Würste“ bezeichnet. Faschiertes, Saftfleisch oder Gulasch wurde ebenso gerne zubereitet. Der Braten, das Geflügel, ein Schnitzel oder Wild waren dem Sonn- bzw. Feiertag vorbehalten. Reis als Beilage gab es nur an Festtagen, da man Reis zukaufen musste, gelegentlich kam sogar Reisauflauf auf den Tisch.
An mehreren Tagen der Woche bestand die Mahlzeit aus einem Eintopf oder einem pikanten oder süßen Auflauf. Mehlspeisen waren aus Erdäpfelteig gewuzelte Mohn-, Brösel- oder Nussnudeln. Buchteln, Apfel- oder Topfenstrudel, Palatschinken, Herdflecken, Dalken, Scheiterhaufen, Grieß-Schmarrn, Arme Ritter und ähnliches bekam man öfter zu essen.
Schauen wir uns die Kochbücher von früher näher an, so fällt uns auf, dass viele Rezepte für Mehlspeisen oft unheimlich große Mengen an Zutaten enthielten: z.B. für Böhmische Krapfen werden Mehl, Zucker, Milch, Germ mit 42 dag Butterschmalz und 24 (!) Eidottern abgerührt. Eier sind immer in größerer Stückzahl in den Rezepten enthalten – einerseits waren sie am Bauernhof verfügbar, anderseits diente Eischnee als Lockerungsmittel und Ersatz für Backpulver (das gekauft werden hätte müssen).
Das Interessante an den Rezepten sind die gefühlsmäßigen Mengenangaben: ein Spritzer Essig, ein Schuss Rum, eine Prise Salz, Ei-schwer Grieß usw. Wir finden Speisen in alten Kochbüchern, die ganz aus der Mode gekommen sind, wie die Zubereitung von Innereien, von Zwiebelfleisch oder Erdäpfelstrudel.
Typische Weinviertler Speisen(kombinationen) waren Buchteln und Fisolen (weiße Bohnen als Suppe oder in Einbrennsoße), Bröselnudel mit Kompott, Blunzengröstel mit Sauerkraut. Sauerkraut gab es auch zu Knödel und Selchfleisch bzw. zu gefüllten Knödeln aller Art (Grammeln, Selchfleisch, Wurst- oder Bratenreste). Geröstete Erdäpfel gab es zu vielen Speisen wie z.B. Wurzelfleisch. Apfelstrudel wurde mit Milch, aber auch mit einem Teller Suppe gegessen. Gebackene Mäuse kamen mit Gemüsesuppe und Ofenflecken mit Marmelade auf den Tisch. Je nach Jahreszeit gab es Marillen- oder Zwetschkenknödel.
Der Grenadiermarsch enthielt alle möglichen Speisenreste des Tages, die in Fett und mit Zwiebel gut angeröstet wurden. Im Sommer aß man Gurkensalat und im Winter saure Gurken oder Salat aus Roten Rüben dazu. Paradeisersoße oder Linsen gehörten unbedingt mit Knödeln zusammen. Mancherorts im Weinviertel (z.B. Spannberg) gab es sogar Erdäpfel-Püree mit Palatschinken.
Zu gewissen Arbeiten gab es ganz bestimmte Speisen: Bei der Weinlese im Herbst bekamen die Leser:innen ursprünglich eher eine bescheidene Versorgung bestehend aus „Leserkas“ (Topfenaufstrich), Brot und Weintrauben. Später kamen Selchfleisch und Wurst dazu. Leser:innen, die über Nacht blieben, sowie die Männer, die die Pressarbeitet verrichteten, versorgte man abends mit Gulasch. Tagwerker:innen wurden je nach Intensität ihrer verrichteten Arbeit auch abends verköstigt. Um daheim Nahrung zu sparen, hat man sich am Arbeitsplatz gut angegessen.
Getränke
Der gute Wein wurde nur zu Sonn- und Feiertagen gereicht. Alltagsgetränk war der „(Haus-)Trunk“, zu dessen Herstellung die Trebern, also die bereits gepressten Trauben, eingeweicht und ein zweites Mal gepresst wurden. Den Trunk gab es zu jeder Mahlzeit sowie als Getränk bei der Feldarbeit. Frauen tranken bei der Feldarbeit aus dem mitgebrachten Tongefäß („Bluzer“ bzw. “Plutzer“) Wasser. In manchen Haushalten gab es Ribiselwein, wenn man neben dem Weingarten einen kleinen Ribiselgarten angelegt hatte. Die Früchte wurden Anfang Juli gepflückt und für Most und Saft gepresst oder zu Marmelade verarbeitet.
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